Die heutige Zeit zeigt, dass immer mehr Kinder und Jugendliche von Konzentrationsbeschwerden betroffen sind. Weshalb ist das so und welche Unterstützung können Lehrpersonen und Eltern bieten?

Zusammen mit Mercedes Ogal, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH und Sandra Imlig, Drogistin und Naturheilpraktikerin mit eidgenössischem Diplom in der traditionellen Europäische Naturheilkunde TEN, durften wir ein spannendes Interview mit aufschlussreichen Informationen durchführen.

Weshalb sind Konzentrationsbeschwerden bei Kindern und Jugendlichen so verbreitet?

Mercedes Ogal:

Die Ursachen hierfür sind sicherlich multifaktoriell bedingt und von Fall zu Fall verschieden.

Einflüsse aus dem familiären und schulischen Kontext spielen eine große Rolle, gefolgt von den Veranlagungen, die das Kind oder der Jugendliche mit sich bringt und von weiteren Einflüssen wie Ernährung, soziale Medien, Bewegung, etc.

Viele Eltern wissen selbst nicht mehr, wie eine gesunde Lebensbalance aussieht und können diese ihren Kindern somit auch nicht weitervermitteln. Es braucht immer wieder Phasen der Entspannung und Ruhe, damit eine gute Konzentrationsfähigkeit möglich ist. Wenn Eltern dies nicht vorleben, dann sind auch Kinder bereits häufig unter Dauerstress.

Es braucht immer wieder Phasen der Entspannung und Ruhe, damit eine gute Konzentrationsfähigkeit möglich ist.

Sandra Imlig:

Eine Konzentrationsstörung kann durch sehr viele Faktoren verursacht werden. So individuell wie wir Menschen sind, gibt es auch innerhalb der gleichen Familie höchst unterschiedliche Empfindungen. Wie kommt man mit den Anforderungen und dem gestiegenen Druck zurecht? Gibt es eine Über- oder Unterforderung? Wie sieht die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler aus? Gibt es biologisch-genetische Gründe? Wie gut ist das Kind verwurzelt und geerdet?

Frau Ogal, welches sind Anzeichen, dass Kinder Konzentrationsschwierigkeiten haben?

Mercedes Ogal:

Anzeichen für Konzentrationsschwierigkeiten sind Leistungseinbrüche in der Schule, allgemein eine kurze Aufmerksamkeitsspanne, das heisst, Tätigkeiten werden schnell wieder abgebrochen und nicht an einem Stück zu Ende geführt, erhöhte Ablenkbarkeit und oft auch motorische Unruhe. Es können aber auch körperliche Anzeichen auftreten wie Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder Schlafschwierigkeiten.

Sandra, wie wirken sich Konzentrationsbeschwerden auf den Alltag der Kinder und Jugendlichen aus?

Sandra Imlig:

Konzentrationsbeschwerden können sich auf den Alltag von Kindern und Jugendlichen in vielerlei Hinsicht auswirken. Sie können Schwierigkeiten haben, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, was zu schlechteren schulischen Leistungen führen kann. Konzentrationsprobleme können aber auch dazu führen, dass Kinder und Jugendliche Schwierigkeiten haben, soziale Kontakte zu knüpfen oder aufrechtzuerhalten.

Es ist wichtig, dass Eltern und Lehrer die Anzeichen von Konzentrationsproblemen erkennen und geeignete Maßnahmen ergreifen, um den Kindern und Jugendlichen zu helfen.

Es gibt viele Ursachen für Konzentrationsprobleme bei Kindern und Jugendlichen. Eine Überlastung in der Schule oder in der Familie kann dazu führen, dass Kinder und Jugendliche Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren. Auch ein zu umfangreiches und straffes Freizeitprogramm sowie Schlafmangel können maßgeblich zu Konzentrationsproblemen führen. Vieles muss meistens zuhause im vertrauten Umfeld aufgefangen werden. Dies kann die ganze Familie belasten und Abläufe im täglichen Leben beeinflussen, da sich die Kinder nicht verstanden fühlen, allenfalls heftig reagieren oder sich im Gegenteil zu stark zurückziehen.

Wie können Eltern und Lehrpersonen Kindern helfen, ihre Konzentration zu verbessern?

Mercedes Ogal:

Die Ernährung kann eine grosse Rolle spielen. Eltern sollen auf eine gesunde, vollwertige und pflanzenbasierte Ernährung achten, möglichst biologischen Ursprungs. Des Weiteren auf ausreichenden Schlaf und eine Reduktion des Medienkonsums auf ein vernünftiges, altersgerechtes Mass. Es gibt sehr gute Filme und Bücher von Fabian Grolimund, wie Eltern positiv dazu beitragen können, die Konzentrationsfähigkeit ihrer Kinder zu verbessern.

Die Eltern sollten auch genau hinschauen und hinhören, ob allenfalls eine schulische Über- oder Unterforderung oder eine Mobbing-Situation bei ihrem Kind vorliegt, wenn im häuslichen Umfeld soweit alles in Ordnung ist (keine elterlichen Streitigkeiten, Trauersituationen, psychischen Belastungen, Sucht-Thematiken oder ähnliches). Und dann gibt es natürlich auch noch eine ganze Reihe an naturheilkundlichen Möglichkeiten zur Unterstützung.

Lehrpersonen können den Kindern helfen, indem sie die Sitzposition des Kindes in der Klasse überprüfen, das Kind bei Konzentrationsschwäche kurz berühren oder durch eine Geste den Fokus wieder zurückholen. Auch ein Gehörschutz (Pamir) zur Reizminderung kann hilfreich sein oder auch das Absolvieren von Prüfungen in einem separaten, ruhigen Raum. Vielen Kindern helfen auch kurze Bewegungsunterbrechungen während des Unterrichts.

Sandra Imlig:

Regelmässige Pausen, um Energie aufzuladen, sollten eingeplant werden. Eine Studie hat gezeigt, dass sich Kinder im Alter von 7-9 Jahren ca. 45 Minuten am Stück konzentrieren können und im Alter von 10-12 Jahren ca. 60 Minuten. So macht es Sinn, von Zeit zu Zeit aufzustehen, allenfalls sogar einmal um das Schulhaus zu rennen oder sich zu strecken und eine Atemübung zu machen.

Frau Ogal, Sie sind Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und bieten zudem in Ihrer Praxis Akupunktur, chinesische Arzneitherapie, psychosomatische und psychosoziale Medizin inkl. Psychotherapie und medizinische Hypnose an. Sie sind also sehr breit abgestützt. Wie gehen Sie vor, wenn Sie Kinder und Jugendliche mit Konzentrationsschwierigkeiten behandeln?

Mercedes Ogal:

Zuerst einmal höre ich den Kindern wie auch den Eltern gut zu, um herauszufinden, ob allenfalls eine Veranlagung zu einem ADHS vorliegen könnte, ob familiäre oder schulische Belastungsfaktoren vorhanden sind, wie der Umgang mit Medien gehandhabt wird, wie die «Work-Life-Balance» und die Ernährung sowie der Schlaf aussehen. Auch geopathologische Faktoren (Stellung des Bettes, WLAN in der Nacht, etc.) beziehe ich in meine Überlegungen mit ein. Ausserdem schaue ich, ob allenfalls ein Mangel im Bereich Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelementen oder auch Melatonin vorliegen könnte.

Manche Konzentrationsschwierigkeiten sind vorübergehender Natur und wieder andere bestehen über Monate und Jahre.

Am Ende entsteht ein sehr individuelles Bild und so ist dann auch die Therapie individuell auf das jeweilige Kind oder den Jugendlichen zugeschnitten. Bei einer schulischen Mobbing Situation hilft zum Beispiel medizinische Hypnose kombiniert mit Phytotherapie sehr gut. In anderen Situationen wende ich mich eher der Akupunktur oder Homöopathie zu oder es braucht eine ADHS Abklärung oder psychologische Unterstützung.

Ausserdem empfehle ich den offenen und ehrlichen Austausch mit den schulischen Lehrpersonen und Heilpädagogen. Häufig entwickelt sich schon vieles sehr positiv, wenn die Eltern und die Schule «an einem Strick» ziehen.

Die Homepage von Fabian Grolimund empfehle ich regelmässig.

Sandra, auch du hast in deinem Berufsalltag als Naturheilpraktikerin täglich mit Kindern und Jugendlichen zu tun. Wie unterstützt du die Kinder und Jugendlichen oder vielleicht sogar deren Eltern?

Sandra Imlig:

Mein bevorzugtes «Werkzeug» ist seit über 30 Jahren die Spagyrik, die mich immer wieder begeistert und begleitet. Eine Vielzahl von spagyrischen Essenzen kommen hier in Frage.
Das Wichtigste ist schlussendlich eine individualisierte Mischung, welche auf das Kind oder die Eltern abgestimmt ist. Dafür lässt man sich am besten in einem Fachgeschäft oder bei einem ausgebildeten Therapeuten beraten.
Nebst der Spagyrik habe ich aber noch viele weitere Methoden, welche ich in das therapeutische Setting miteinbeziehe, wie zum Beispiel Ernährungsberatung, Kinesiologie, autogenes Training und diverses Anderes.

Welche Botschaft möchtet ihr unseren Zuhörern abschliessend mit auf den Weg geben, wenn es um Konzentrationsbeschwerden bei Kindern geht?

Sandra Imlig:

Die Eltern sollen ihre Kinder begleiten nach dem Motto “Wurzeln und Flügel”. Es ist ein bekanntes Zitat von Johann Wolfgang von Goethe. Es besagt, dass Kinder von ihren Eltern zwei Dinge bekommen sollten: Wurzeln und Flügel. Wurzeln, um eine stabile Basis zu haben, auf der sie aufbauen können, und Flügel, um sich frei zu entfalten und ihre eigenen Wege zu gehen. Das Zitat betont die Bedeutung von Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit, die Kinder benötigen, um selbstbestimmt ihren Weg im Leben zu finden.

Eine Studie des Schweizer Elternmagazins Fritz+Fränzi zeigt, dass Eltern eine wichtige Rolle dabei spielen, ihren Kindern Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit zu vermitteln. Wenn Eltern ihr Kind feinfühlig wahrnehmen, erkennen, wo es steht, was es braucht, um selbständig etwas zu versuchen, und es in diesem Bestreben unterstützen, entwickelt es mehr Mut und Lust am Erkunden und Ausprobieren, hat weniger Druck und kann sich besser konzentrieren.

Mercedes Ogal:

Eltern dürfen Vertrauen in Ihre Kinder haben und ihnen auch mal Misserfolg zutrauen. Oft gehen Kinder und Jugendliche danach ihren Weg positiv weiter, wenn sie ein «Problem» durchgestanden oder selbst gelöst haben. Für Kinder und Jugendliche ist es wichtig, dass die Eltern Ihnen etwas zutrauen, ihnen vertrauen und sie so annehmen und lieben, wie sie sind. Sehr viele Kinder werden für ihre Leistungen geliebt und nicht für die wunderbare, einzigartige Seele, die sie sind. Und das führt später zu Menschen mit niedrigem Selbstwertgefühl, da sie nur die «Leistungsdefinition» gewöhnt sind. Hier gilt es den Eltern die Augen zu öffnen, damit sie sich der Freude hingeben können, die Kinder in ihr Leben bringen.

 

Vielen Dank an Mercedes Ogal und Sandra Imlig für die wertvollen Einblicke in euer Fachwissen und die Erfahrungen, welche ihr im Berufsalltag macht.

Wir hoffen, dass euch Leser und Leserinnen dieses Interview einige Inputs zum Umgang und der Bewältigung bei Konzentrationsschwierigkeiten liefern konnte.